Das Bodensee-Special

Eine doch so kurze Reise mit doch so vielen Erlebnissen

Der Wecker klingelte um 4:30 Uhr. Es war noch dunkel draußen, die Straßen lagen still, als hätte die Welt den Atem angehalten – genau wie wir. Um Punkt fünf Uhr, mit zwanzig Minuten Verspätung, rollte der vollgepackte Bus in Richtung Südbahnhof zu uns. Als wir in den Bus einstiegen, erwartete uns bereits das Team aus Konz. Die Musik war laut, die Stimmung euphorisch. Endlich begann der Trip, auf den wir seit Monaten hingefiebert hatten.

Nach zwei Stunden Fahrt kam der erste Notfall: Toilette. Die Blase drückte, die Stimmung kippte leicht. Zum Glück hielten wir an einer Schule an – und nicht an irgendeiner, sondern der Schule aus Bendorf in Koblenz, wo wir eine weitere Mädchenmannschaft abholten. Während wir warteten, rannten einige panisch Richtung Eingang, auf der verzweifelten Suche nach einem WC. Mission erfolgreich. Mit den Mädels an Bord wurde es voller.

Als drei Stunden Fahrt vergingen, setzte die Langeweile ein. Man hatte alles durch: Snacks, TikToks, peinliche Selfies. Meine Freundin und ich beschlossen, dem Ganzen einen Beauty-Twist zu geben. Also zückten wir unsere Gesichtsmasken und Eye-Patches mitten im Bus. Die Reaktionen der anderen waren eine Mischung aus Schock und Lachen. Aber hey, unsere Haut war on point.

Nach zwei Stunden Fahrt war die nächste Rast, aber anstatt Kakao und Brötchen gab es Hamburger mit Pommes, Cola und einer spontanen Kokosnuss zum Frühstück. Nach weiteren Stunden Fahrt erreichten wir Edenkoben, wo ein Jungsteam zustieg. Nun war das Rheinland-Pfalz-Team vollständig. Noch mehr Energie, noch mehr Chaos. Der Bus war jetzt ein rollender Zirkus mit Beats, Beauty und fliegenden Papierstückchen, denn die Jungs fingen an, sich mit Wasserflaschen zu bewerfen.

Doch kurz vor dem Ziel kam der Moment, den niemand wollte: Stau. Eine Stunde lang. Die ersten zehn Minuten waren okay. Man tauschte Essen miteinander aus oder spielte UNO. Nach einer Weile kroch die Langeweile doch wie Nebel durch die Reihen. Endlich kam der Bus nach 60 Minuten wieder in Bewegung. Weitere drei Stunden vergingen, und nach einer gefühlt endlosen Fahrt und unzähligen Pausen war es endlich soweit: Der Bus fuhr über die Grenze nach Österreich.

Die ersten Berge tauchten am Horizont auf – riesig, majestätisch, fast unwirklich. Einige drückten sich die Nasen an den Fenstern platt, andere zückten ihre Handys, um das Bild festzuhalten. Die Sonne stand schon tief, tauchte die Gipfel in goldenes Licht, das sich wie Honig über die Landschaft legte. Der Sonnenuntergang war wie gemalt – Orange, Rosa und ein Hauch von Lila.

Als wir im Motel ankamen, kamen Schwester Cäcilia und Frau Kress mit ernster Miene zu uns: „Denkt daran, sperrt euch nicht wieder aus! Letztes Mal war das schon ein Drama!“ Ich nickte brav. Klar, ich war ja diejenige, der das letztes Mal passiert war. Dieses Mal war ich vorbereitet: zwei Zimmerkarten, doppelte Sicherheit. Ich war überzeugt, das passiert mir nie wieder.

Unser Zimmer war ein Traum – sauber, gemütlich und mit Blick auf die Berge. Meine Freundin und ich waren happy. Wir drehten Schneewittchen-TikToks, machten Karaoke und schauten den Film Die Pinguine aus Madagaskar. Es war unsere kleine Welt, bis plötzlich draußen im Flur Chaos ausbrach. Die Jungs geisterten durch die Gänge, laut, wild, wie auf einem Festival. Wir wollten natürlich gucken, was los war. Also sprangen wir raus, und in dem Moment, wo die Tür ins Schloss fiel, wurde uns klar: Beide Karten lagen im Zimmer!

Stille. Dann Panik. „Nein, nein, nein!“, flüsterte meine Freundin. Ich starrte die Tür an, als würde sie sich von selbst öffnen. Aber nichts. Und das Schlimmste? Die Lehrerinnen hatten uns vorgewarnt. Schwester Cäcilia und Frau Kress waren irgendwo im Motel – aber wo? Vier Etagen, keine Ahnung, in welchem Zimmer sie schliefen. Und es war 23 Uhr. Wir irrten durch die Flure, flüsterten Namen, klopften zaghaft. Nichts. Die Jungs lachten uns aus, als sie uns sahen.

Dann fanden wir es: ein kleines Sofachen. Alt. Hart. Einsam. Unser letzter Zufluchtsort. Drei Stunden saßen wir dort. Alle zwanzig Minuten wechselten wir, damit wenigstens eine von uns liegen konnte. Die Nacht war kalt. Die Flure leer. Und unsere Hoffnung schwand mit jeder Minute. Wir waren alleine. Verloren. Und das Sofachen wurde zum Symbol unserer Scham, unserer Angst, unserer Lektion.

Es war inzwischen fast zwei Uhr morgens. Unsere Augen brannten, unsere Beine zitterten. Und dann, in einem letzten verzweifelten Versuch, klopften wir an einer Tür im obersten Stockwerk. Wir wussten nicht, warum gerade diese. Vielleicht war es Hoffnung. Vielleicht Zufall. Die Tür öffnete sich langsam. Und da stand Schwester Cäcilia. Frau Kress saß auf dem Bett, ein Buch in der Hand, den Blick ruhig. Niemand schrie. Sie verstanden. Und das machte es noch schwerer.

Sie wussten, was zu tun war: Meine Freundin und ich mussten uns in verschiedene Zimmer trennen – natürlich nicht in irgendwelche, sondern in die Zimmer aus unserem Team. Anfangs war es unangenehm, doch nach einer Weile konnte man darüber lachen. Man bildete eine echte Teamgemeinschaft, und es stärkte uns gegenseitig!

Am nächsten Morgen wurden unsere Zimmer aufgeschlossen. Es war 6:30 Uhr. Wir frühstückten und fuhren schon um 7 Uhr los. Die Sonne war aufgegangen, als unser Bus die Grenze zur Schweiz überquerte. Die Müdigkeit der letzten Tage hing uns noch in den Knochen, aber etwas war anders. Die Luft war klarer, die Stimmung elektrisiert. Wir waren auf dem Weg zum Stadion – zum großen Turnier, auf das wir so lange gewartet hatten.

Und dann sahen wir ihn: den Bodensee! Er lag da wie ein Spiegel der Welt – riesig, ruhig, wunderschön. Das Wasser glitzerte in der Morgensonne, als würde es uns begrüßen wollen. Es war einer der seltenen Momente, in denen alles stillsteht. In denen man weiß: Das hier wird groß.

Als wir am Stadion ankamen, war die Nervosität spürbar. Mehrere Teams. Ein Ziel. Jeder hatte trainiert, gehofft, gezweifelt. Doch jetzt war es soweit. Wir zogen unsere Trikots an, banden die Schuhe fester, sahen uns an – und wussten: Heute geben wir alles!

Der Wettkampf begann. Schweiß, Schreie, Herzklopfen. Jeder Sprint, jeder Pass, jeder Moment zählte. Wir feuerten uns gegenseitig an, halfen uns hoch, wenn jemand fiel, und kämpften. Die Zuschauer tobten, die Sonne brannte – und doch spürten wir eins: Zusammenhalt.

Und dann der letzte Punkt. Der entscheidende Moment. Alles stand still. Ein Atemzug. Ein Herzschlag. Treffer. Wir schrien. Wir fielen uns in die Arme. Erster Platz. Wir wurden einfach Erster! Es war so irreal. Durch viele gute und sehr gute Leistungen hatten wir gehofft, eine vordere Platzierung zu bekommen – aber dass es schließlich die erste sein würde, war eine Riesenüberraschung.

Mit einer Goldmedaille gingen wir glücklich zum Motel zurück. Zur Feier des Tages gingen wir zum zweiten Mal in eine Pizzeria, wo wir uns das Essen bestellten – und jeder Biss schmeckte nach Sieg. Als wir später in der Dunkelheit zurück zum Motel gingen, mit vollen Bäuchen und leichten Herzen, wussten wir, dass es mehr als ein Turnier war. Es war ein Kapitel unserer Geschichte: Ende gut, alles gut!

 

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